„So lass nun deine Kraft, o Herr, groß werden, wie du gesagt hast.“
Gedanken zu 4. Mose 14, Vers 17
Dieser Vers gehört zu dem Text „Bericht der Kundschafter“, der im Kapitel 13 und 14 des 4. Buch Mose überliefert ist: Das Volk Israel steht nach langen Jahren der Wanderung durch die Wüste vor dem von Gott verheißenen Land. Mose schickt Kundschafter in das Land Kanaan, um es zu erkunden.
Die Israeliten wollen erfahren, wie das Land beschaffen ist, welche Menschen dort wohnen, wie die Städte gebaut sind, wie wohlhabend das Land ist, ob es dort Bäume und Früchte gibt.
Die zurückkehrenden Kundschafter berichten tatsächlich von dem Land, in dem Milch und Honig fließt, ganz so, wie es ihnen verheißen wurde. Doch sie berichten auch von starken Völkern, die dort leben und die sich den Israeliten in den Weg stellen werden. Einige Kundschafter berichten gar von Dingen, die sie gar nie gesehen haben. Ihre grausamen Erzählungen versetzen das Volk in Furcht und Aufruhr – die „Reise“ scheint hier zu Ende, alle Strapazen nicht der Mühe wert. Rückschritt statt Fortschritt, Tod statt Erlösung. Da murrt das Volk gegen Mose und wünscht sich zurück in die Unterdrückung durch die Ägypter, dem scheinbar kleineren Übel.
Die vorliegende Erzählung lässt mich an meine eigenen „Wüstenwanderungen“ denken. Im Laufe eines Lebens starte ich viele Projekte, setze mir Ziele, beginne selbst gewählte Vorhaben umzusetzen. Mal große, mal kleine, mal überschaubar, mal über eine lange Zeit hinweg.
Manche Vorhaben gelingen, darüber denke ich häufig gar nicht nach, Dankbarkeit verschwindet hinter der Selbstverständlichkeit. Andere Vorhaben ziehen sich hin, dauern länger als geplant, bergen ungeahnte Schwierigkeiten, lassen das Ziel kaum noch erkennen und werden zu einer sprichwörtlichen Wüstenwanderung. Und da bin ich nicht alleine unterwegs. In Beziehungen und Gemeinschaften kommen diese Erfahrungen ebenfalls vor. Das geschah und geschieht auch in unserer Gemeinde in Friedrichsdorf. Je weiter wir zurück schauen können, desto mehr Eindrücke finden wir.
Mir kommen die aktuellen Gespräche und bevorstehenden Veränderungen in unserer Kirche in den Sinn … auch das ein langer und herausfordernder Prozess.
Und dann erscheinen sie mir, die Kundschafter, die mir vom Ausgang meiner Vorhaben berichten und mir böse Ahnungen zutragen:
„Das schaffst du nicht, besser damit aufhören, noch kannst du die Sache abbrechen, schmeiß einfach hin, geh da nicht mehr hin, das musst du dir nicht antun, du hast nur ein Leben….“
Diesen Kundschaftern (wer hat die eigentlich ausgesandt?), meinen Kundschaftern, kann ich Namen geben: Bequemlichkeit, Sicherheit, Angst, Trägheit … und wer da noch so alles dabei ist.
Was mache ich? Was macht Mose?
Mose setzt „alle Räder still“. In Vers fünf heißt es: „Mose aber und Aaron fielen auf ihr Angesicht vor der ganzen Versammlung der Gemeinde der Israeliten.“ Und im Gebet (in der Zwiesprache mit Gott) spricht Mose: „So lass nun deine Kraft, o Herr, groß werden, wie du gesagt hast.“
Für einen Moment bricht Mose alle Aktivität ab, rechtfertigt sich nicht und verurteilt nicht, weder sich noch andere – und er gibt das, was er im Auftrag Gottes begonnen hat, nicht einfach auf und gibt es nicht zur Vernichtung frei (so wie Gott in der Erzählung geneigt ist zu tun). Er „packt“ Gott bei seiner Ehre, hält ihm seine Verheißung und seine Barmherzigkeit vor.
Und Gott gibt dem Lauf der Geschichte eine neue Richtung.
Mose ist mir hier ein Vorbild. Er zeigt mir einen guten Plan:
Nicht vorschnell aufgeben, sich nicht den Kundschaftern unterwerfen, Herr der Lage (und der inneren Schweinehunde) bleiben. Erst einmal still stehen, die Geschäftigkeit aussetzen.
Ich kann Gott in mein Leben mit all meinem Tun und Lassen einbeziehen. Ich kann ihn als allgegenwärtig ernst nehmen und mit ihm verhandeln und ringen um das, was ich erreichen will und von dem ich glaube, dass Gott es mitträgt.
Garantien gibt es keine, aber einen Versuch ist es allemal wert …
Ernst Breuninger