Zum ersten Mal prägt der Ausspruch einer Frau ein ganzes Jahr.
Du bist ein Gott, der mich sieht
Blickwechsel, so der Titel des Bildes zur Jahreslosung 2023 von Dorothee Krämer.
Allein ist sie, diese Person auf dem Weg.Niemand begleitet sie. Nicht leichtfüßig und fröhlich schreitet sie voran. Es scheint, als ob ihr Schritt stockt. Wohin will sie gehen? Sie, die Sklavin Hagar! Ein Zuhause hat sie nicht mehr, und erwartet wird sie nirgendwo.
Es ist eine triste Umgebung, in der dieser Mensch so einsam unterwegs ist. Auch sie selbst wirkt unscheinbar mit ihren grau – schwarzen Schattierungen. Unscheinbar ist diese Frau, die hier einen einsamen Weg geht.Sie flieht ins Nirgendwo, in die Wüste.
Links und rechts des Weges ist die grau- und erdfarbene Landschaft zu sehen. Hart und fest scheint der Boden zu sein. So, wie es wohl auch im Herzen der Hagar aussieht.Die harte Schicht der Enttäuschung liegt auf ihr.
Vielleicht kennen Sie auch dieses Gefühl, wenn die Enttäuschung zudeckt, was an Hoffnung und Zuversicht gewachsen war. Gibt es Konflikte oder schwierige Situationen, die bei mir zu einer Enttäuschung geführt haben? Wie gehe ich damit um?
Aber dann ist da plötzlich der helle Lichtstrahl, der die Frau sanft berührt. Auf dem Bild ist es, als ob die Sonne aus einem dunklen Himmel bricht und die hellen Strahlen sich den Weg bahnen, bis sie auf diesen einsamen Weg fallen, auf dem Hagar geht. Mitten in dieser Einsamkeit ist sie umgeben von Licht.
Für mich stehen diese Lichtstrahlen dafür, was die Geschichte von Hagar erzählt: Gott selbst begegnet ihr in Person eines Engels. Gott spricht mit ihr. Gott sieht in ihr Leben hinein, mitten hinein in alles, was festgefahren und verhärtet ist.
Der Lichtstrahl aus dem Himmel reicht hinein in die Einsamkeit der unscheinbaren Frau.Sie ist gesehen und begleitet, auch wenn sie das nie geahnt hätte.
Gott sieht auch in unser Leben hinein. Damals bei Hagar und heute bei uns.
„Du bist ein Gott, der mich sieht!“
In Licht und Schatten sieht er mich. Er sieht, wenn wir in uns ruhen und wenn wir zerrissen sind. Und selbst dann, wenn uns das Licht seiner Liebe verborgen ist, selbst, wenn wir nicht mehr glauben können, dass er mit uns auf dem Weg ist. Gott ist da und er sieht uns, das möge uns tragen durch das Jahr, das vor uns liegt.
Beim Betrachten des Bildes frage ich mich, ob dieser Weg schon vorher so eine scharfe Kurve hatte. Oder ob das Licht ihn verändert hat? Für mich ist dieser Weg, der so unerwartet abbiegt, ein starkes Zeichen und der Hinweis, dass Gott eintritt.
Bei Hagar ändert sich nicht auf einmal alles zum Guten. Der Konflikt löst sich nicht auf. Eines aber ist anders: Ihr Weg nimmt eine andere Richtung. Das Licht der Gegenwart Gottes berührt ihr Leben und sie weiß: Sie geht nicht allein weiter, sondern Gott ist bei ihr. Sie kann sogar zurückkehren in ihr altes Leben und wird es doch nicht mehr in den alten Mustern weiterführen.
Es wird sich in uns etwas verändern, wenn wir entdecken: Auf die einsamen Wege unseres Lebens und auf die verhärteten Stellen unseres Herzens scheint das wärmende Licht der Liebe Gottes. Dann können sich eingefahrene Wege ändern. Manches wird anders weitergehen, weil wir verändert auf unserem Lebensweg weitergehen. Wir können loslassen, was war, und mutig darauf zugehen, was kommt.
Wir haben einen Gott, der uns sieht. Das ändert alles, in Zeit und Ewigkeit.
„Blickwechsel“ ist für mich ein Ermutigungsbild.
Karl-Heinz Baum
Fotorechte: Dorothee Krämer